Geschichtliches um die Philippsbuche

Die Philippsbuche im Rahmen der hessischen Geschichte

Einführung

Die grundlegenden Veröffentlichungen von Johannes Arnoldi, Willi Görich und Karl E. Demandt sowie die Akten der Archive in Wiesbaden und Marburg gestatten es, die Geschehnisse um die Philippsbuche bei Simmersbach einmal in einen größeren Zusammenhang zu stellen. Für die Betrachtung bieten sich zwei Schwerpunkte an: Der Baum, der mehr als 400 Sommer und Winter überlebte, verweist uns auf das jahrzehntelange Ringen zwischen der Landgrafschaft Hessen und der Grafschaft Nassau um das Katzenelnbogener Erbe, und der Platz, auf dem die Buche wurzelte, lag im Zuge eines wichtigen Fernweges vom Rhein bei Köln über Siegen und Marburg bis in die Gegend von Leipzig.

Philippsbuche und Philippstein

Der im Spätherbst des Jahres 1552 anlässlich der Heimkehr Landgraf Philipps des Großmütigen eingepflanzte Baum, durch dessen mächtigen, aber hohlen Stamm der Verfasser als Kind noch in die breit ausladenden Äste kletterte, war in unserem Jahrhundert zum ringsum bekannten Wanderziel von Familien und Schulklassen geworden und wurde zum Naturdenkmal erklärt Trotz Ausfüllung des Stammes mit Zement und Abstützen des stärksten Seitenastes durch einen gemauerten Träger brach die Buche schließlich zusammen. Inzwischen ist das Gelände zu einer gepflegten Anlage ausgebaut und mit einem neuen Baum bepflanzt worden. Im Jahr 1910 errichteten die Simmersbacher neben der Philippsbuche einen Gedenkstein, wohl weil damals schon mit dem Absterben des Baumes zu rechnen war. Der Stein – auch er mußte mittlerweile verschwinden – trug ein paar Inschriften, die wir heute zum Teil an der Sitzmauer der Anlage wiederfinden.

Der Gedenkstein vom 11. September 1910.

Gußrelief des hessischen Bauern in Tracht mit einem Bäumchen in der Hand.

 

Es heißt dort:

Tafel I     Die hier stehende Buche pflanzten die alten Simmersbacher in .dankbarer Erinnerung an den von ihnen ersehnten und geschauten Tag der Heimkehr ihres Landgrafen Philipp von Hessen aus fünfjähriger schmachvoller Gefangenschaft in den spanischen Niederlanden den – 10. September 1552. Nachkommende errichteten diesen Stein am 10. September 1910.

Tafel II    Wenn einstmals in der weiten Welt die Treu der Klugheit räumt das Feld, sonst nirgends eine Ruhstatt hätte, das Hessenland bleibt ihre Stätte.

Tafel III  Des Herrn Wort bleibt in Ewigkeit. I. Petrie I, Vers 5

Hoffnung lässt nicht zuschanden werden. Römer 5, Vers 5

Tafel IV         Gußrelief eines Bauern in hessischer Tracht mit einem Bäumchen in der Hand.

An einem September – Sonntag des Jahres 1952 versammelten sich etwa 4000 Menschen an der Philippsbuche, um nach 400 Jahren in würdiger Form die neue Anlage einzuweihen und mit dem Festgottesdienst des hessischen evangelischen Kirchenpräsidenten Martin Niemöller, dem tiefschürfenden Bericht des Simmersbacher Pfarrers Karl Stiehl, der Ansprache von Landrat Bachmann und vor allem mit dem Spiel „Das Wort sie sollen lassen stahn“ das große Geschehen des Jahres 1552 nachzuerleben. Die neu angebrachte Gedenkplatte trägt die Inschrift: „Zur Erinnerung an die Heimkehr des Landgrafen Philipp von Hessen aus 5jähriger spanisch – niederländischer Gefangenschaft am 10. 9.1552

Die Grafschaft Katzenelnbogen

Im abgelegenen Hintertaunus hatten die Grafen von Katzenelnbogen aus kleinen Anfängen ein stattliches Territorium aufgebaut, dessen Geschichte in die Ereignisse an der Philippsbuche mündet und erst mit dem Frankfurter Vertrag von 1557 zwischen Hessen und Nassau endet. Nachdem der katzenelnbogische Stammsitz der Familie von der unteren Lahn her durch die Grafen Von Nassau entfremdet worden war, residierten die Herren von Katzenelnbogen hauptsächlich auf Burg Rheinfels – St. Goar, sie besaßen außerdem aber als weiteren Mittelpunkt ihres Machtbereichs Darmstadt mit seinem Umland.

Gemeinsame politische Interessen führten im Jahr 1446 zur Verlobung der Gräfin Anna von Katzenelnbogen mit Landgraf Heinrich III. von Hessen – Marburg. Sie war die Tochter Graf Philipp des älteren; als 1543 das letzte seiner übrigen starb, war Anna Erbtochter der Grafschaft geworden. Mit der Eheschließung zwischen Landgraf Heinrich und der Gräfin im Jahr 1457 stand demnach zu erwarten, dass die katzenelnbogischen Lande nach dem Tode Philipps des Älteren an Hessen fallen würden.

Um diesen Erbanfall zu verhindern, begannen besonders die unmittelbaren Nachbarn der Grafschaft ein eifriges, oft zwielichtiges diplomatisches Spiel. Obwohl die Grafen von Nassau – Dillenburg mit denen von Katzenelnbogen wegen der Entfremdung der Stammburg bis dahin nicht gerade in freundschaftlichen Beziehungen standen, erreichten sie mit Unterstützung der Landschaft, gewissermaßen in letzter Stunde, den alternden Grafen Philipp von Katzenelnbogen zu einer zweiten Heirat mit einer nassauischen Gräfin zu bewegen und auf diese für Hessen gefährliche Weise ihre zukünftigen Erbansprüche geltend zu machen. Es kam zu einem angeblichen und nicht ganz durchsichtigen Giftmordanschlag auf die nassauische Gräfin, der den Hessen in die Schuhe geschoben und in einem von Nassau aufgebauschten „Schauprozeß“ vor dem Offizialratsgericht beim Erzbischof in Köln gebrandmarkt wurde.

Die Ehe Philipps von Katzenelnbogen mit der Gräfin von Nassau blieb jedoch kinderlos, und deshalb fiel bei seinem Tod im Jahr 1479 die Grafschaft samt dem katzenelnbogischen Teil an der Grafschaft Diez völlig rechtmäßig an seine als einzige noch lebende Tochter Anna, die Gemahlin Landgraf Heinrichs III. von Hessen – Marburg. Drei Jahre später, im Jahr [482, heiratete Graf Johann V. von Nassau – Dillenburg (Regierungszeit 1475-1516) die Landgräfin Elisabeth, die älteste Tochter Heinrichs von von Hessen und der Gräfin Anna von Katzenelnbogen. In der Eheberedung verzichtete Elisabeth auf die weibliche Erbfolge mit dem Vorbehalt, dass das Erbrecht wieder aufleben solle, wenn der Mannesstamm aussterben würde. Elisabeth hatte eine Schwester Mathilde »der Mechthild, Gemahlin Herzog Johanns von Cleve, und den Bruder Wilhelm III., den Jüngeren. Ihr Vater Heinrich III. starb 1483; da ihre Mutter Landgräfin Anna noch im gleichen Jahr zugunsten Hessens auf ihr väterliches Erbe Katzenelnbogen Verzicht leistete, mußte die Erbschaft nun an Wilhelm übergehen. Der junge Landgraf war zu dieser Zeit noch minderjährig, weshalb sein Onkel Kurfürst Herrmann von Köln die Vormundschaft übernahm.

Nachdem er für großjährig erklärt worden war, ließ er sich von seinen Neffen, den Landgrafen Wilhelm I., dem Älteren, und Wilhelm II., dem Mittleren zu Kassel (Söhne des Bruders Landgraf Heinrichs III.), dazu überreden, sein katzenelnbogisches Erbe 1487 in die zwischen Brandenburg, Sachsen und Hessen bestehende Erbverbrüderung einzubringen, um seine Schwestern Elisabeth und Mathilde von der Erbfolge auszuschließen. Graf Johann V. von Nassau – Dillenburg und seine Gemahlin Elisabeth erhoben 1488 gegen diese Abmachung energischen Einspruch, weil die in der Eheberedung Elisabeths getroffene Vereinbarung nicht einseitig aufgehoben werden könne. Trotzdem sprach Kaiser Maximilian 1495, im Jahr der Gründung des Reichskammergerichtes, eine hessische Gesamtbelehnung unter Einschluss der Grafschaft Katzenelnbogen aus.

Die Erbansprüche Graf Johanns V. von Nassau – Dillenburg

Landgraf Wilhelm III. war ein passionierter Jäger; nachdem er bei Merzhausen schon einmal durch einen unglücklichen Fall vom Pferd schwer verletzt worden war, stürzte er im Jahr 1500 erneut auf der Jagd im Burgwald vom Pferd und starb drei Tage später im Schloß Rauschenberg (Zeugenaussage: „Landgraf Wilhelm, der den Hals gebrochen hat.. „). Da er noch keine Kinder hatte, mußte nun nach Recht und Gesetz auf Grund der Eheberedung von 1482 die weibliche Erbfolge wieder in Kraft treten und die Katzenelnbogener Erbschaft zu gleichen Teilen an seine Schwestern Elisabeth von Nassau-Dillenburg und Mathilde von Cleve fallen. Mit der Begründung, die Grafschaft sei ja seit 1487 Bestandteil der hessisch-sächsichen Erbverbrüderung und 1495 an Gesamthessen verliehen worden, nahm Landgraf Wilhelm II. von 1500 an Besitz von ganz Hessen und unter Missachtung der nassauischen und clevischen Rechte auch von Katzenelnbogen.

Damit begann der fünf Jahrzehnte dauernde, zähe und erbitterte Erbfolgestreit zwischen Nassau und Hessen, der insbesondere für die schwächere Grafschaft Nassau eine ungeheure finanzielle Belastung mit sich brachte. Als mehrere Einigungsversuche auf sogenannten „gütlichen Tagen“ fehlgeschlagen waren, klagte Elisabeth von Nassau, 1506 ihr Erbe ein. Der Prozess kam 1507 vor das Reichskammergericht, das ihre Klage auf die Hälfte der Grafschaft Katzenelnbogen anerkannte; dieses Urteil bedeutete gleich zeitig die Bestätigung der clevischen Ansprüche auf den zweiten Halbteil Graf Johann V. von Nassau vermochte jedoch nicht, den Beschluss des Reichskammergerichts gegen Hessen zu verwirklichen. Als er 1516 starb, waren die von ihm bezahlten Gerichtskosten bereits auf 8000 Gulden angewachsen.

Landgraf Philipp der Großmütige greift ein

Landgraf Philipp, geboren am 13. November 1504 nach dem Tod seines Vaters Wilhelms II. (geboren am 29. April 1469, gestorben am 11. Juli 1509) Mitregent von Hessen und dem Tod seines Onkels Wilhelms I. 1515 alleiniger Herr zu Hessen, übernahm nach seiner Mündigkeitserklärung im Alter von 13 ½ Jahren 1518 die Regierung; in dem hessischen Hofmeister Hans von Dörnberg fand er einen hervorragendem Ratgeber, auf den er sich stützen konnte. Landgraf Philipp starb am 31. März 1567.

Graf Johann V. von Nassau – Dillenburg war 1516 verstorben; an seine Stelle trat sein Sohn Wilhelm der Reiche (geboren 1487, seit 1531 in zweiter Ehe verheiratet mit Juliane, der Tochter Graf Bothas von Stolberg, gestorben 1559; Sohn Wilhelm der Schweiger, Prinz von Oranien, 1533 -1584). Während seiner ganzen Regierungszeit kämpfte Graf Wilhelm um die Katzenelnbogener Erbschaft. Den Beinamen „der Reiche“ erhielt er wegen der Abfindungssumme, die ihm nach dem Frankfurter Vertrag von 1557 von Philipp dem Großmütigen gezahlt wurde, und wegen der in diesem Vergleich ausgehandelten Erwerbungen; man übersah aber dabei seine außerordentlich hohen Prozesskosten sowie die Tatsache, dass er im Grunde der Unterlegene blieb. Um welchen großen Einsatz es ging, zeigte eine Aufstellung Wilhelms des Reichen über alle Besitzungen, die er zur Katzenelnbogener Erbschaft rechnete: die Grafschaften Ziegenhain und Nidda, die Ämter Marburg, Kirchhain, Rauschenberg, Wetter, Rosenthal, Gemünden (Wohra), Frankenberg, Haina mit Kloster, Allendorf (Lumda), Grünberg, Burg-Gemünden, Homberg (Ohm), Alsfeld, Ulrichstein, Schotten, Stormfels, Bingenheim (Fuldische Mark), Roßbach, Butzbach, Kleeberg, Hüttenberg, Königsberg, Blankenstein, Biedenkopf Battenberg und Breidenbach; in Niederhessen die Ämter Vacha und Friedewald; Teile von Schmalkalden, Hirschfeld und am Busecker Tal; die Herrschaft Eppstein; Anteile an den Zöllen zu Linz und Boppard; die hessische Pfandschaft an Limburg, Molsberg, Ober- und Niederbrechen; die Grafschaft Katzenelnbogen (Nieder- und Obergrafschaft); das Amt Driedorf; den katzeneinbogischen Anteil an Diez, Hadamar, Ellar, der Esterau, Ems, Löhnberg, Camberg, Altweilnau und Wehrheim.

In den Anfangsjahren des Katzenelnbogener Streites, die zeitlich mit der Reformation zusammenfallen, hatte Nassau die bessere Ausgangsposition. Wilhelms des Reichen älterer Bruder Heinrich III. von Nassau-Breda, Statthalter der Niederlande, leistete 1519 wesentliche Hilfe für die Wahl Karls V. zum deutschen Kaiser und weilte auch bis 1529 bei diesem in Spanien. Er hielt sich in dem aufbrechenden Religionskampf sehr zurück und versuchte, zwischen den Parteien zu vermitteln. Er gewährte Wilhelm finanzielle Unterstützung, warnte ihn aber auch vor der Einführung der Reformation in Nassau, weil er voraussah, dass eine solche Maßnahme negative Auswirkungen auf den Erbstreit mit Hessen haben würde. Als er 1538 starb, hatte Wilhelm seinen besten Fürsprecher bei Kaiser Karl V. verloren, und mit dem Tod des Prinzen Renatus von Oranien, dem Sohn Heinrichs III., hörte im Jahr 1544 der nassauische Einfluss am kaiserlichen Hof ganz auf.

Der seit 1507 anhängige Erbschaftsprozess wurde auf Bitten Graf Wilhelms des Reichen im Jahr 1520 vom Reichskammergericht abgezogen und dem kaiserlichen Hofgericht unterstellt. Auf dem Reichstag zu Worms 1521 bildete Kaiser Karl V. eine Kommission aus den Bischöfen von Augsburg, Bamberg und Straßburg, welche im Jahr 1523 das Tübinger Urteil fällte: Die Katzenelnbogener Erbschaft wird der Gräfin Elisabeth von Nassau und der Herzogin Mathilde von Jülich und Cleve zugesprochen. Schon 1521 hatten die Söhne Mathildes von Cleve jedoch ihr Erbrecht an Katzenelnbogen für 50000 Gulden an Wilhelm den Reichen abgetreten. Landgraf Philipp versuchte nun mit allen Mitteln, das Urteil zu umgehen. Als der Kaiser wieder nach Spanien zurückkehrte, befürchtete Graf Wilhelm eine kriegerische Auseinandersetzung mit Hessen, für die er nicht gerüstet war. Auf sein Betreiben erließ Karl V. 1524 ein „geschärftes Mandat“ an den Landgrafen, die Länder freizugeben, doch der Bauernkrieg von 1525 brachte wiederum eine Verzögerung. Philipp strebte nun von sich aus eine Einigung mit Wilhelm an, um ihn gleichzeitig für die evangelisch-lutherische Sache zu gewinnen – Wilhelm neigte zur reformierten Lehre -, doch dieser konnte ohne das Einverständnis seines in Spanien sich aufhaltenden Bruders Heinrich III. von Nassau-Breda keine festen Zusagen geben. So blieben die beiden persönlichen Begegnungen von 1525 zwischen Philipp und Wilhelm in Rotenburg und Dillenburg ohne Ergebnis, ebenso auch weitere Verhandlungen wie etwa auf dem Augsburger Reichstag von 1530, die nun aber schon im Zeichen des drohenden Religionskrieges standen. Als 1533 einer der Kommissare starb, löste sich die seitherige kaiserliche Kommission auf; an eine Neubildung war nicht mehr zu denken. Das Gerichtsverfahren kam ins Stocken, und die Dinge blieben weiterhin in der Schwebe. Auch eine 1541 durch Graf Wilhelm vom Kaiser erwirkte neue Untersuchungskommission blieb ohne Erfolg.

Der Schmalkaldische Krieg 1546/47

Im Jahr 1530 hatten die evangelischen Fürsten den Schmalkaldischen Bund gegründet, dem neben anderen die Länder Hessen, Sachsen, Mansfeld, Anhalt, Braunschweig und Brandenburg angehörten. Nachdem Graf Wilhelm der Reiche ebenfalls zum evangelischen Glauben übergetreten war, wurde er Weih nachten 1535 auf Antrag Kursachsens in den Bund aufgenommen und verpflichtete sich ihm im Januar 1536. Seine persönliche Freundschaft mit Kurfürst Johann Georg zu Sachsen hatte die Widerstände gegen seinen Beitritt beseitigt, doch Landgraf Philipp protestierte gegen die Aufnahme des Nassauers und weigerte sich auch, dessen Mitgliedsurkunde zu unterschreiben. Oft lud man auf Philipps Betreiben Graf Wilhelm nicht zu den Beratungen ein und teilte ihm nur das Ergebnis mit, worauf dieser sich dann nicht an die Beschlüsse gebunden fühlte.

Immerhin ermöglichte der Beitritt Graf Wilhelms zum Schmalkaldischen Bund erneute Vergleichsverhandlungen. Bei dieser Gelegenheit präsentierte Nassau eine Gesamtforderung an Hessen in Höhe von 2 478 525 Gulden, und Philipp der Großmütige machte den Vorschlag, seine erst einjährige Tochter Barbara mit einem Sohn des Grafen Wilhelm zu vermählen. Noch vor dem Ausbruch der militärischen Auseinandersetzung zog sich Wilhelm der Reiche 1544 aus Anlaß der sogenannten „Bräunschweiger Händel“ und unter dem Druck Landgraf Philipps wieder aus dem Schmalkaldischen Bund zurück.

Auf dem Reichstag zu Regensburg 1546, im Todesjahr Luthers, belegte Kaiser Karl V. den Kurfürsten von Sachsen und den Landgrafen Philipp von Hessen mit der Reichsacht, der Schmalkaldische Krieg begann. Graf Wilhelm der Reiche, obwohl aus dem Bund ausgetreten, fürchtete als evangelischer Fürst um eine Bedrohung seiner Länder durch den Kaiser, ebenso aber auch um Übergriffe Philipps des Großmütigen, und lagerte den Landsturm der dillenburgischen Lande auf dem Heunstein und der Eschenburg hoch über dem Dietzhölztal. Im Kriegsjahr 1547 verpflichtete er sich, dem Kaiser 600 Reiter zuzuführen, wofür man ihm als Gegenleistung helfen trollte, die Katzenelnbogener Besitztümer zu erobern; er zögerte jedoch die Einlösung des Versprechens hinaus, da er die Unterstützung der katholischen Partei nicht mit seinem Gewissen vereinbaren konnte.

In der entscheidenden Niederlage bei Mühlberg geriet Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen in Gefangenschaft; am 12. Juni 1547 unterzeichnete auch Landgraf Philipp nach der Fürsprache seines Schwiegersohnes Moritz von Sachsen bei Karl V. in aussichtsloser Lage seine Kapitulation und reiste nach Halle-, wo er dem Kaiser am 19. Juni die zugesagte feierliche Abbitte leistete. Entgegen den Erwartungen „»wurde er am gleichen Tag ebenfalls gefangengesetzt und von Herzog Alba in die Niederlande gebracht Man erzählt, Philipp habe bei dem Fußfall gelächelt wobei der Kaiser zornig gerufen habe:

„Woll, ick sall Euch lachgen lehrenl“ Philipp musste eine Kriegsentschädigung von 600 000 Gulden leisten, all seine Geschütze abliefern sowie die Festungen Kassel, Gießen und Rüsselsheim schleifen lassen. Der kaiserliche Feldmarschall und alte Gegner des Landgrafen, Graf Reinhard von Solms-Lich, erhob hohe Entschädigungsansprüche, und der Kaiser übertrug ihm zur Demütigung Philipps die Durchführung der hessischen Kapitulationsauflagen.

Dem Grafen Wilhelm von Nassau wurde in dem Urteil von 1548 und in weiteren gerichtlichen Entscheidungen der nächsten Jahre fast die ganze Grafschaft Katzenelnbogen zugesprochen. Am 3. August 1548 erkannte man Hessen für schuldig, unter anderem folgende Besitztümer zur Hälfte an Nassau (und die andere Hälfte an Cleve) abzutreten: die Ämter Battenberg, Rosenthal und Mellnau, Schloß, Stadt und Amt Darmstadt mit Bessungen und Arheilgen sowie Schloß und Amt Katzenelnbogen. Philipp gab aus niederländischer Gefangenschaft noch 1548 den Befehl, dieses Urteil zu vollziehen. Auf dem Reichstag zu Augsburg 1551 erhielt Nassau außerdem Zwingenberg, die Grafschaft Diez, die Ober- und Niedergrafschaft Katzenelnbogen sowie die Ämter Altweitnau, Camberg, Wehrheim, Löhnberg, Ellar und Greifenstein; die nassauischen Ansprüche auf Hadamar und die eigentlichen fürstlich-hessischen Gebiete wurden jedoch zurückgewiesen.

Der Passauer Vertrag von 1552

Landgraf Philipp wurde in Mecheln nördlich von Brüssel gefangengehalten. Sein getreuer Zeugmeister Rommel und der tüchtige Kaufmann Breidenstein, der später das Amt des Rentmeisters innehatte, bereiteten 1550 einen Befreiungsversuch mit genau vorausberechneten Pferdewechseln vor. Der Fluchtplan scheiterte jedoch, und die daraufhin angeordnete Haftverschärfung scheint das Selbstbewusstsein des Landgrafen schwer erschüttert zu haben; freilich werden hier auch die Gewissenskonflikte wegen seiner moralisch angreifbaren Nebenehe stärker als vorher zum Durchbruch gekommen sein.

Inzwischen hatte sich Philipps Sohn, der junge Landgraf Wilhelm von Hessen, die nassauischen Erbstücke gewaltsam wieder angeeignet. Kurfürst Moritz von Sachsen, der Schwiegersohn Philipps, brachte 1551 ein deutsches Fürstenbündnis gegen Karl V. zustande, überfiel den völlig überraschten Kaiser in Tirol und zwang ihn zum Passauer Vertrag vom 31. Juli 1552. Philipp der Großmütige erhielt seine Freiheit zurück, obwohl er gemäß einer geheimen kaiserlichen Verfügung bis zum 12. Februar 1565 in Gefangenschaft bleiben sollte. Mit diesem Vertrag wurden auch alle bisherigen Entscheidungen im Katzenelnbogener Erbfolgestreit hinfällig, so dass man sich wieder auf den Stand des Jahres 1500 zurückgeworfen sah.

Landgraf Philipps Aufbruch aus den Niederlanden

Nach den Bestimmungen des Passauer Vertrages hätte der Landgraf am 12. August 1552 aus der Gefangenschaft entlassen werden müssen. Der Aufbruch verzögerte sich jedoch; die Statthalterin Karls V. in den Niederlanden, die Königin Maria, brachte nämlich in Erfahrung, dass entgegen den Vertragsklauseln das Reiffenberger Regiment des jungen Landgrafen Wilhelm noch nach Abschluss der Vereinbarungen zum Markgrafen von Brandenburg übergegangen war. Philipp, bereits von Mecheln nach Maastricht entlassen, wurde auf ihre Anordnung nach der brabantischen Stadt Loewen zurückgebracht und erst auf Grund eines Befehls Kaiser Karls V. am 2. September auf freien Fuß gesetzt

Am 30. August erfuhr man in Kassel, dass die Freilassung Philipps unmittelbar bevorstehe, und sofort leitete sein Sohn Wilhelm in größter Eile die notwendigen Vorbereitungen ein. Im Passauer Vertrag war festgelegt worden, Philipp in der Burg Rheinfels freizustellen, im westlichsten, den Niederlanden am nächsten gelegenen Punkt Hessens. Die Grafen von Nassau-Weilburg und von Solms, durch deren Lande der vorgesehene Reiseweg führte, hatten, schon für den 12. August dem Landgrafen die Gestellung eines Geleitschutzes zugesichert und wurden nun an ihr Geleitversprechen erinnert. Ein hessisches Ehrengeleit unter der Hauptmannschaft Hermanns von Hundeishausen sollte Philipp, dessen Ankunft am Rhein bei St. Goar auf Burg Rheinfels zum 2. September erwartet wurde, auf dem Zug nach Kassel begleiten. Es versammelte sich am 4. September frühmorgens in Nastätten südwestlich von Katzenelnbogen an der „Hessenstraße“. Für den Fall, daß man hier mehrere Tage warten müsse, hatte man einen entsprechenden Vorrat an Lebensmitteln und Pferdefutter dorthin bestellt. Die Geleitgruppe bestand aus 27 Adligen, 3 Amtsknechten und 70 Söldnern, die mit Büchsen und „Bickelhauben“ ausgerüstet waren.

Durch die üblen Praktiken eines spanischen Hauptmanns konnte Philipp trotz der kaiserlichen Anordnung, ihn am 2. September freizugeben, erst am 5. September, einem Montag, endgültig von Loewen nach Maastricht abreiten, der letzten spanisch-niederländischen Festung vor der Grenze. Diese Verzögerungen bewogen den Landgrafen, im Einverständnis mit der wohlwollenden kaiserlichen Statthalterin Maria, seinen Reiseweg nicht über Rheinfels zu nehmen, sondern die kürzere Strecke über Köln und Siegen nach Marburg einzuschlagen, zumal ihm sehr viel daran lag, bei dieser Gelegenheit mit Graf Wilhelm dem Reichen von Nassau über den leidigen Katzenelnbogener Erbfolgestreit zu sprechen. So musste der Geleitschutz zwischen den Niederlanden und Hessen völlig neu organisiert werden, und das 100 Mann starke hessische Aufgebot ist wohl in aller Eile von Nastätten über Weilburg und Dillenburg nach Simmersbach geholt worden, dem westlichsten Punkt der hessischen Stammlande, um hier im Lager auf den Trieschem des Staffelbölls den Landesherrn zu erwarten.

Am Montag, dem 5. September, reiste Philipp von Loewen nach Maastricht ab. Die hessischen Räte, die schon in Loewen anwesend waren, hatten sehr rasch gearbeitet und mit guter Überlegung die neue Reiseroute mit den Übenachtungsstationen vorbereitet. Der erste Tag führte den von freudiger Erwartung erfüllten Landgrafen in einem weiten Ritt von etwa 70 km bis fast an die spanische Hoheitsgrenze. Noch von Loewen aus hatte Philipp am 3. September den zu Düsseldorf residierenden Herzog von Jülich und Berg um ein Hohes Fürstengeleit durch sein Land gebeten. Der Herzog sandte seine Zusage samt einer Einladung nach der Nebenresidenz Jülich durch den Aachener Propst Johann von Vlatten und Werner von Harste, Amtmann zu Grevenbroich und Gladbach, umgehend ab, so dass Philipp sie noch vor dem Aufbruch aus Loewen am frühesten Morgen des 5. September erhielt Entsprechend gelangte der Landgraf am Dienstag, dem 6. September, über eine Entfernung von weniger als 50 km von Maastricht nach Jülich, nachdem er in der Frühe an der Grenze von dem obersten kaiserlichen Feldhauptmann Johann von Voussum (Vossem) mit seinen Reisigen empfangen und vom Jülich-bergischen Fürstengeleit eingeholt worden war.

Am Abend des 5. September nach seiner Ankunft hatte Philipp von der spanischen Festung Maastricht aus sowohl den Erzbischof als auch die Stadt Köln um ein Hohes Fürstengeleit ersucht. Schon am nächsten Tag abends in Jülich erreichte ihn der Geleitbrief der Stadt Köln unter Hervorheben der alten Freundschaft und mit der Einladung, in Köln zu übernachten. Die Geleits – Zusicherung des Erzbischofs von Köln dagegen, der weiter entfernt in Poppelsdorf bei Bonn residierte, konnte erst am Mittwoch, dem 7. September, in aller Frühe noch in Jülich durch den Dechanten Graf Anton von Holstein, Schaumburg und Stemberg sowie den Ritter Dr. Anton Husmann von Namedy übergeben werden. Auch der Erzbischof lud den Landgrafen nach Poppelsdorf ein; Philipp dankte, lehnte jedoch wegen des Umweges, den er hatte machen müssen, die Einladung ab. So wird er am Mittwoch, dem 7. September, über eine Entfernung von knapp 50 km von Jülich nach Köln geritten sein. Hier in Köln hat ihn dann vermutlich der oberste kaiserliche Feldhauptmann Johann Herr zu Vossem in aller Form freigegeben; die Königin Maria hatte ihn eigens für diesen Auftrag aus dem Feldlager zu Kornelimünster in die Nähe der niederländischen Grenze bestellt, denn ursprünglich war diese Freigebung ja für Rheinfels vorgesehen gewesen. Die ruhigen Reise-Abschnitte dieser beiden Tage von Maastricht bis Köln durch weithin ebenes Gelände und mit verhältnismäßig kurzen Etappen werden wohl von den hessischen Räten bewußt so ausgewählt worden sein, da ihr des Reitens nicht mehr geübter Landesfürst körperlich doch in schlechterer Verfassung war, als er zugeben wollte, und weil nun der schwere Ritt durch das bergische Land bevorstand.

Der Geleitbrief des Erzbischofs von Köln war am 7. September frühmorgens in Jülich eingetroffen, doch Philipp hatte die Einladung nach Poppelsdorf abgesagt. Die Überbringer, Graf Anton von Holstein und Ritter Anton Husmann, ritten am gleichen Tag nach Poppelsdorf zurück. Noch in der späten Nacht dieses Mittwochs ging ein Bote von hier nach Köln ab mit der Nachricht, am Abend des Donnerstags werde Gerhard von Broich mit entsprechendem Geleit des Erzbischofs in Denklingen warten, das Jülicher Fürstengeleit ablösen und dem Landgrafen seiner Bitte gemäß den Weg nach Siegen weisen. Der Reiseweg am 8. September führte Philipp den Großmütigen demnach von Köln über 50 km durch das Bergische Land nach Denklingen, von wo aus er am Freitag, dem 9. September, nach nur 25 km am späten Abend in Siegen ankam. Man war an diesem Tag offenbar erst nach Mittag aufgebrochen, weil die zu Siegen vorgesehenen hochpolitischen Gespräche vorbereitet werden mußten, und von der Siegener Landscheide oder Amtshege bei Hohenhain an übernahm das nassauische Aufgebot den Geleitschutz an Stelle von Kurköln.

Landgraf Philipp auf dem Heimritt über Simmersbach nach Kassel

Der Landesherr Hessens hatte am 6. September von Jülich aus ein Schreiben an Graf Wilhelm den Reichen von Nassau gerichtet, in welchem er auch ihn „nach alter deutscher Art“ um ein Fürstengeleit anhielt. Der hessische

Bote traf am 8. September spät in der Nacht auf dem Dillenburger Schloß ein, sofort nach dessen Ankunft fasste Graf Wilhelm voller Freude noch zwischen zwei und drei Uhr nachts seinen Antwortbrief ab. Er sicherte Philipp für den 9. September „sicheres, strackes Geleit“ zu und ließ ihn auf das Schloß in Siegen einladen, wohin er dem Landgrafen in aller Eile entgegenreiste.

Nach dem Eintreffen Philipps in Siegen am späten Abend des Freitags, nach kurzem Ausruhen und festlicher Mahlzeit, begannen sofort die Gespräche zwischen dem Landgrafen und Graf Wilhelm dem Reichen um die Katzenelnbogener Erbschaft, die sich bis tief in die Nacht hinein fortsetzten.

Der nassauische . Graf ließ es sich nicht nehmen, Philipp am nächsten Morgen, am Samstag, dem 10. September, bis nach Ebersbach zu begleiten, wie er in einem Brief vom 12. September an seinen Sohn, den Prinzen Wilhelm von Oranien, recht lebhaft schildert. Der Ritt wurde zu einer kurzen Rast im Ebersbacher Amtshaus unterbrochen, von wo aus der Landgraf mit seinem Gefolge den Weg an der Burg bei Steinbrücken hinauf in der Richtung zur hessischen Landesgrenze am Staffelböll einschlug, während Graf Wilhelm und seine Begleiter in Steinbrücken zum Dietzhölztal hinab nach der Residenz Dillenburg abbogen. Schon am 3. September hatte Königin Maria, die kaiserliche Statthalterin in den Niederlanden, einen Geleitbrief ausgefertigt, der Landgraf Philipp dem Großmütigen und seinen Räten ein Ehrengeleit von 300 spanischen Reitern bis zur hessischen Landesgrenze zusicherte. Seit dem Aufbruch aus Loewen am 5. September war der Landgraf von diesen spanischen Reitern einschließlich ihres Hauptmannes umgeben, der seine Abreise aus den Niederlanden so hartnäckig verzögert hatte. Tausende von Menschen müssen beim Eintreffen Philipps am Staffelböll zusammengeströmt gewesen sein:

Das nassauische Geleit begleitete ihn bis zur Landesgrenze und wurde hier wohlbedankt verabschiedet, ebenso auch die stattliche Spanierschar, während alle adeligen Geleitsmänner, unter ihnen wohl auch der spanische Haupt-mann offenbar mit nach Marburg eingeladen wurden; seit Tagen lagerte das hessische Aufgebot der 100 Adligen, Amtsknechte und Schützen am Staffelböll, das ursprünglich am 4. September in Nastätten versammelt worden war; von Kassel waren neben den übrigen hessischen Räten die vier Söhne des Landgrafen gekommen, die er in rührender Begrüßung in die Arme schloß; viele Adlige und sonstige Getreue aus allen Landesteilen Hessens eilten herbei, um den Landesfürsten zu empfangen, und schließlich waren auch Hunderte von Untertanen aus den naheliegenden Ortschaften wie auch aus den angrenzenden nassauischen Dörfern zusammengelaufen, um das aufregende Ereignis mitzuerleben.

Der Frankfurter Vertrag von 1557
Nach zügiger Abwicklung aller Formalitäten bewältigte Philipp am 10. September dann noch den zweiten Teil der insgesamt 55 km langen Strecke von Siegen nach Marburg, wo am Sonntag, dem 11. September, im Rittersaal des Schlosses ein feierlicher Empfang durch die Universität und den Rat der Stadt Marburg stattfand.Am 12. September erreichte er nach weiteren 30 km seine als einzige erhalten gebliebene Festung Ziegenhain, wo ihn der getreue Heinz von Lüder erwartete, und wo er seinen alten Widersacher Graf Reinhard von Solms-Lich vertragsgemäß zu entlassen hatte, der hier seit dem 14. Februar 1552 in Haft saß. Noch am 13. September hielt er sich in Ziegenhain auf, wie aus einem Brief seines Sohnes Wilhelm an den Kurfürsten von Sachsen hervorgeht; dieser schreibt, der Vater sei doch kränker, als er in seiner Freude eingestehen wolle. Die letzten 55 km von Ziegenhain nach Kassel wird Philipp der Großmütige am 14. September zurückgelegt haben, um dem großen, wahrscheinlich am Samstag, dem 17. September 1552, veranstalteten Dankgottesdienst am Grabe seiner Gemahlin in der St.-Martins-Kirche zu Kassel beizuwohnen; jedenfalls hatte er nachweislich am 14. September schon seinen Sommersitz Kloster Weißenstein, die spätere Wilhelmshöhe, erreicht.

Auf dem Schloß zu Siegen und im Ebersbacher Amtshaus hatte Landgraf Philipp von Hessen Graf .Wilhelm dem Reichen in freundschaftlichster Weise versichert, daß er zur gütlichen Beilegung der Katzenelnbogener Erbschaftssache geneigt sei. Die Besitztümer, die sein Sohn Wilhelm gewaltsam besetzt habe, wolle er wieder an Graf Wilhelm zurückgeben sein erstes Werk nach seiner „Zuhausekunft“ werde eine Besprechung darüber mit seinem Sohn und den hessischen Räten sein. Es ist anzunehmen, daß Philipp nach den Strapazen langjähriger Gefangenschaft und seelischer Bedrängnis, verbunden mit körperlicher Erschöpfung, wirklich den Frieden suchte; doch seine politische Tätigkeit erlahmte in den folgenden Jahren, die Führung Hessens lag immer stärker in der Hand des jungen Landgrafen und seiner Ratgeber. Man verwies Graf Wilhelm den Reichen an Philipps Sohn. Nach neuen Verhandlungen 1554 in Frankfurt und 1555 in Worms kam es am 30. Juni 1557 in Frankfurt zum abschließenden Katzenelnbogener Vergleich mit seinen vielen Einzelbestimmungen. Nassau behielt oder erhielt das hessische Viertel an Diez mit dem Amt Driedorf, die hessische Hälfte an Hadamar und das Amt Löhnberg; Schloß, Stadt und Amt Herborn einschließlich Wallenfels wurden von der hessischen Lehnshoheit befreit Alle übrigen nassauischen Ansprüche sollten mit viel Geld abgefunden werden. Graf Wilhelm der Reiche bezifferte seine Forderungen auf 6 Millionen Gulden, während Hessen ihm nur 450000 Gulden zugestehen wollte. Nassau erhielt schließlich 600 000 Gulden, d. h. 10 Prozent seiner Forderungen.

Jan Rubens und Anna von Sachsen

Achtzehn Jahre nach dem großen Ereignis am Staffelböll zog ein Paar in umgekehrter Richtung auf der alten Landstraße von Marburg nach Siegen einem traurigen Schicksal entgegen. Am 25. April 1533 wurde Graf Wilhelm dem Reichen der Sohn Wilhelm geboren, kurz nachdem Graf Heinrichs III. von Nassau-Breda Sohn Renatus 1530 das Fürstentum Oranien in der Provence geerbt hatte, das diesem den Fürstentitel einbrachte. Als Renatus 1544 in einer Schlacht umkam, fiel das niederländisch-oranische Erbe Nassaus an jenen Sohn Graf Wilhelms des Reichen, der sich nunmehr (fälschlich) „Prinz“ von Nassau-Oranien nannte. Prinz Wilhelm von Oranien, später der Schweiger genannt, residierte im Schloß zu Breda und im prunkvollen „Hof von Nassau“ in Brüssel, nachdem er 1559 die Regierung angetreten hatte. Er führte im Wesentlichen den Befreiungskampf der Niederlande gegen die Herrschaft Spaniens (1568 bis 1648) und wurde 1584 in Delft ermordet.

Wilhelm von Oranien lebte in einer unglücklichen Ehe mit seiner Gemahlin Anna von Sachsen. Mit Hilfe ihres Freundes, Beraters und Rechtsbeistandes Jan Rubens, dem Vater des berühmten niederländischen Malers Peter Paul Rubens, versuchte sie, gerichtliche Entscheidungen herbeizuführen, um eine Trennung ihres Vermögens von dem Besitz ihres Gemahls zu erreichen. Nach einer zu diesem Zweck unternommenen Reise brach sie mit ihrem Begleiter am 3. Juni 1570 von Marburg nach Siegen auf, um dort mit Wilhelm von Oranien zusammenzutreffen. Da sie sich von Jan Rubens trennen mußte, nahm sie im Ewersbacher Amtshaus von ihm Abschied. Sie verbrachten dort gemeinsam die Nacht vom 3. zum 4. Juni 1570, und als ihr Gemahl von dem Ehebruch erfuhr, setzte er Jan Rubens hinter Gitter, und zwar in den ersten Wochen in einen Verschlag über dem Löwenbrunnen des Dillenburger Schlosses, wo Rubens der Gefahr ausgesetzt war, im Schlaf in die Tiefe des Brunnens hinabzustürzen. Erst der ständigen Fürbitte von Jan Rubens Gemahlin war es zu danken, dass ihr Mann nach zwei Jahren von Wilhelm von Oranien begnadigt und freigelassen wurde.

Die frühzeitliche West-Ost-Straße über den Staffelböll

Die Straße durch das Hinterland, auf der Landgraf Philipp der Großmütige vom Staffelböll aus weiter nach Marburg ritt, hat eine lange Geschichte. In der deutschen Frühzeit gab es einen bedeutenden, in west-östlichem Zuge verlaufenden Fernweg, der aus dem Rheingebiet um Köln über den Westerwald, das Siegerland und den Staffelböll zur Marburger Lahnfurt und weiter in die Niederhessische Senke führte, und der in unserem Raum von den frühgeschichtlichen Ringwällen bei Rittershausen, Hesselbach, Gönnern, auf der Angelburg und dem Hünstein flankiert wurde. Gerade diese Wallburgen lassen vermuten, dass der Höhenweg bereits in der Späthallstattzeit um 500 vor Christus bestand und vielleicht auch für den Siegerländer Eisenhandel eine Rolle spielte.

Alle alten Fernstraßen waren bis weit in das 13. Jahrhundert hinein ausgesprochene Höhenwege, denn die damals versumpften Täler konnten ganz einfach nicht befahren werden. So suchte der Verkehr die Wasserscheiden der Gebirgskämme auf, die möglichst lang und ruhig dahinziehenden Höhenrücken, oder man blieb doch wenigstens über dem Quellhorizont, selbst wenn dafür beträchtliche Umwege in Kauf genommen werden mussten. Freilich ließ sich das Überqueren von Flüssen oder Bachtälern dort nicht vermeiden, wo diese die allgemeine Verkehrsrichtung schnitten. Die Wegeführung hinunter zu den Furtstellen, die nur höchst selten einmal mit einer Brücke versehen waren, und auf der anderen Seite den Berg wieder hinauf nahm in direktem Angriff den Hang, denn trotz der Steilheit oder Abschüssigkeit konnten Fuhrmann und Pferd aus den nassen, schlammigen Talungen heraus die Höhe so leichter gewinnen als etwa auf Serpentinen; eine solche geradlinige Steilstrecke auf dem alten Amtsweg zwischen Gießen und Gladenbach in der Subach ist durch den Postraub zur Genüge bekannt. Es gab in der Frühzeit kein Netz von gepflegten Fernstraßen; dafür fehlten alle Voraussetzungen, sei es in technischer oder in staatlich-verwaltender Hinsicht. Die Fahrbahnen wurden nicht regelmäßig ausgebessert, sondern jeder Reisende mußte selbst sehen, wie er weiterkam. So füllte man Wasserpfützen und Schlammlöcher immer wieder mit Erde, Reisig oder Steinen aus, und wenn eine Trasse nicht mehr zu befahren war, entstand unmittelbar neben der bisherigen eine neue Fahrspur. Diese alten Rinnen und Geleise. haben sich stellenweise bis in unsere Tage erhalten und geben Aufschluss über den Verlauf der frühen wie mittelalterlichen Wege.

Erst im 12. Jahrhundert setzten in größerem Umfang Rodung und Trockenlegung der bis dahin von feuchtem Bruchwald, von Erlen- und Weidengestrüpp bewachsenen und daher äußerst verkehrsfeindlichen Tal Auen ein, und seit dem 14. Jahrhundert entstand aus einfachen Ortsverbindungswegen ein Netz von Tal-Landstraßen. Der durchlaufende Fernverkehr zog sich vor allem in der Fehdezeit mit ihren Räubereien auf die tiefliegenden Talwege herab, weil diese doch immer wieder menschliche Siedlungen mit entsprechenden Schutzmöglichkeiten berührten, während die Höhenstraßen notwendig über den darunter gelegenen Ortschaften vorbeiführten. Aber nach der Beruhigung der politischen Verhältnisse wurden etwa von 1500 an neben den Talstraßen die alten, ortsfernen und in der Zwischenzeit stellenweise verödeten Wasserscheidenwege um ihres natürlichen Vorzuges willen wieder stärker vom Fernverkehr benutzt; auf dem Marburger Rücken diente der dortige Weinstraßenabschnitt sogar bis ins 19. Jahrhundert als amtliche Umgehungsstraße der Stadt Marburg für Truppendurchmärsche und für die großen Viehtriebe aus Norddeutschland zu den Frankfurter Märkten.

Unser frühzeitlicher Höhenweg lief hinter dem Siegener Schloßberg vorbei, wo Willi Görich eine karolingische .“curtis“ (befestigter Wirtschaftshof) vermutet, auf der Wasserscheide zwischen Weisbach und Sieg in nördlicher Richtung bis hoch über Netphen, wendete dann nach Südosten und rührte auf dem Kamm über dem linken Ufer von Sieg und Werthen-Bach an Deuz (Höhkopf) und Salchendorf vorbei durch den Sattel zwischen Gernsdorf und Irmgarteichen nach Hainchen. Hier begannen der schwere Aufstieg auf die Haincher Höhe bis zum Gipfelpunkt von 578 m über dem Meeresspiegel und der gemächliche Abstieg auf der Wasserscheide über Pracht und Steimel zur Kirchhecke über der alten Bergebersbacher Pfarrkirche. Weiter ging’s durch die flache Mulde des oberen Ebers-Baches und über die „Schneide“ des Sasenberger hinunter durch die Landhege am Stein zur wichtigen Dietzhölze-Furt von Steinbrücken. Durch den Ziegenbergsgraben stieg die Höhenstraße dann hinauf auf die „Burg“ und am Mäuseköppel vorbei zum Staffelböll. Diese Streckenführung lässt sich durch einige schriftliche Nachrichten belegen: 1537 wird Hen Weber „an der Straßen“, Kirchmeister zu Steinbrücken, genannt; 1742 zeichnete der dillenburgische Archivrat von Rauschard eine Skizze vom Mausköpfchen, in der die „Dillenburgische Landstraße, von Siegen nach Marburg gehend“ eingetragen ist; 1755 wird sie die „Darmstädter Straße“ bezeichnet, und noch 1782 ist die Rede von der „Landstraße oder dem Weg, der von Ewersbach und Steinbrücken nach Hörlen in den Ziegenbergsgraben geht“. Am Mäuseköppel, dessen Name wohl von Maut = Zoll abzuleiten ist, fand man vor einigen Jahrzehnten etwa 800 m von der heutigen Kreisgrenze entfernt auf nassauischem Gebiet unmittelbar neben der alten Straße Mauerreste, Urnen, Scherben, Kettenreste und Hufeisen; hier muß wohl einmal eine Herberge in Verbindung mit einer Zollstätte gestanden haben.

Über die Scheide zwischen Simmersbach und Diete am „Streitwasser“ wendete sich der Weg nach Süden, um auf der Wasserscheide bleiben zu können, lief vielleicht zwischen Mattenberg und Hornberg hindurch und, über Kurzbeul und Windhain Hirzenhain umgehend, über die Scheide von Scheide und Garisbach am heutigen Hirzenhainer Bahnhof zur Angelburg. Auf diesem Abschnitt ist der Zug als „Heller Weg“ und „Straße nach Hirzenhain“ urkundlich belegt.

Für den folgenden Abschnitt zwischen der Angelburg und dem Kreuzstrauch nördlich von Gladenbach fehlen nun zwar alle schriftlichen Straßenbelege, doch der .fernerhin durchlaufende Höhenweg lässt sich mit Hilfe der äußeren und inneren hessischen Landhege weiter verfolgen. Schon vor 1309 hatten die hessischen Landgrafen zum Schutz des Blankensteins gegen die andrängenden Grafen von Nassau in den Dernbacher Fehden die Haupthege vorm Daubhaus nördlich Racheishausen errichtet, die nach 1309, nach dem Anfall Dernbachs an Hessen, durch eine Vorlandwehr wiederum abgesichert wurde. Die kräftig verstärkten und zu Bollwerken ausgebauten Durchlässe für die Höhenstraße in der Landhege, die sonst nur einen Waldstreifen bildete, lassen vermuten, daß der Weg von der Angelburg über die Bottenhomer Hochflache und das Daubhaus durch den Staatsforst Gladenbach und am Blankenstein vorbei zum Kreuzstrauch führte, wo er die jetzige Bundesstraße Gladenbach – Biedenkopf auf der Höhe vor Runzhausen querte; am Südfuß des Daubhauses, in der Nähe des vorgeschichtlichen Ringwalles am Hünstein, sind noch heute die alten Fahrspuren zu erkennen. Im Blankensteiner Raum ist diese Straße schon im Jahr 1261 als „strata publica“ bezeugt.

Vom Kreuzstrauch an setzen bis nach Marburg die schriftlichen Zeugnisse wieder ein: Der Weg wird zunächst ,,Weimarische Straße“ (in Richtung Ober-und Niederweimar) und etwa vom Bellscheid nördlich Willershausens an immer wieder „Siegener Landstraße“ genannt. Am „Schneid“ im großen Allna-Bogen hoch östlich über Dorf Allna ging’s weiter auf der „Alten Straße“ bei Hermershausen zum „Zollstock“ über Ockershausen, wo der Höhenweg die vom Marburger Rücken nach Süden strebende Weinstraße kreuzte, und schließlich die „Gladenbacher Straße“ hinunter zur Marburger Lahnfurt unmittelbar unterhalb der heutigen Weidenhäuser Brücke. Jenseits der Furt kletterte die Straße den Kaffweg hinauf und ließ dann in zahlreichen Rinnen schräg über die Lahnberge, um an der bedeutsamen Brücker Mühle, dem Ohmübergang bei Amöneburg, die Verbindungen in die Niederhessische Senke zu erreichen.

Dieser Fernweg ist im Raum Hinterland/Wittgenstein/Dietzhölztal/Siegerland von der auffallend großen Zahl sogenannter .. hausen-Siedlungen begleitet, woraus man eine Besiedlung des Gebietes von Osten her über Eder und Lahn aufwärts ableiten kann. Ebenso gehäuft finden sich hier rechteckige oder sogar quadratische Dorfgemarkungen, die in Verbindung mit den … hausen-Orten auf einen planmäßigen fränkischen Ausbau des Landes schließen lassen, vielleicht auch auf eine Kolonisationstätigkeit des Erzbistums Mainz. Es sieht so aus, als hätten die Karolinger den Raum an der Höhenstraße entlang bewusst zu einer Grenzmark gegen die Sachsen ausgestaltet, die dann möglicherweise zwischen 715 und 742 gebildet worden wäre. Ähnlich der Anlage von Ringwällen in der Entstehungszeit des Frühweges veranlassten die Dernbacher Fehden in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als die Straße danach ihre Bedeutung verlor und besonders zwischen dem Staffelböll und Burg Blankenstein verödete, noch einmal den Bau einer Reihe von Gipfelburgen, die aber alle bald wieder in Trümmer sanken; in die Kämpfe zwischen den Landgrafen von Hessen und den Grafen von Nassau um die Herborner Mark und das Obergericht Gladenbach waren die Burgen zum Hain, Bergebersbach, Hessenwald, Tringenstein, Eisemroth, Wallenfels, Neu-Dernbach und Blankenstein verwickelt.

Die Köln-Leipziger Fernstraße des Spätmittelalters

Aus den vom immer schwerer werdenden Wagenverkehr zunächst noch nicht passierbaren Ortsverbindungswesen, die abkürzend und ohne Rücksicht auf das Gelände über Berg und Tal liefen, bildeten sich mit dem Zerfall des Stauferreiches und der damit über Deutschland hereinbrechenden jahrzehntelangen Fehdezeit die Amts- und Botenstraßen heraus. Sie übernahmen offenbar seit dem 13. Jahrhundert mit der Entwicklung der Städte und Ämter den direkten und schnellen Verkehr von einem Verwaltungsmittelpunkt zum anderen. Von 1750 an wurden sie in Hessen zu Chausseen ausgebaut und für den schweren Verkehr benutzbar gemacht, so daß sie im Wesentlichen die Grundlage des heutigen Netzes von Tiefhang- oder Tal-Landstraßen darstellen.

Unser als „Hessenstraße“ bekannter Handelsweg des Spätmittelalters von Siegen über den Staffelböll nach Marburg ist die Fortsetzung der ebenfalls späten Köln-Siegener Landstraße. Ursprünglich als kürzeste direkte Siegen-Marburger Amtsverbindung in Gebrauch, wurde der Weg mit dem Aufblühen der Kölner Messen als Fernhandelsstraße nach der Messestadt Erfurt und dann nach der Erfurt überholenden Messestadt Leipzig bedeutsam. Er begann in Sie gen am „Marburger Tor“ (1311) und lief über Marienborn, Kaan, Feuersbach und dann nördlich an Flammersbach vorbei nach Anzhausen, wo er erst durch den Gernsdorfer Sattel den Weisbach-Grund verließ und in nordöstlicher Richtung weiter nach Irmgarteichen gelangte/Von hier ging es über Hainchen und die Haincher Höhe, dann als Hangstraße hart an Rittershausen vorbei, über den Straßebersbacher Dietzhölz -Übergang und die Steinbrücker Furt über den Mandelbach zur damals bekannten „Schmerbachsfurt“, wo sich an der Stelle einer ausgegangenen Siedlung der Straßenzug gabelte. Die Furt durch den Schmerbach wird bereits 1553 und 1631 urkundlich genannt; 1668 ist die Landstraße er wähnt, „so von der Schmerbachsfurt nach der Burg geht“, und 1764 markiert ein großer Sandstein die Grenze zwischen Hessen und Nassau, der „in der Schmerbachsfurt zwischen den beiden Wegen, welche von Ebersbach nach Roth und nach Simmersbach gehen“, eingesetzt worden ist. Der ältere südliche Zweig führte hinterm Ziegenberg und hinter der „Burg“ hinauf wieder auf die alte Höhenstrecke zum Staffelböll, dann am Sudhang des Galgenberges, über Ober- und Niederhörlen und am „Zollstock“ ober halb des Hundsgalgens hinüber nach Eisenhausen, während der nördliche Zug über Roth als „Butterweg“ nach Niederhörlen ging.

Bei Obereisenhausen verließ die Straße den Breidenbacher Grund, wechselte nördlich am Bolzeberg entlang in die alte Zent Dautphe und kam im Winkel durch das Bolzebachs-Tälchen zum „Heidenstumpf“, führte südlich an Herzhausen vorüber und querte hinter der Wüstung Winkshausen den Sattel zwischen dem Kaltenberg und dem Streicherberg. An der Kapelle von Diedenshausen vorüber überschritt der Straßenzug auf der Störnershöh unterm Kreuzacker vor der „Alten Kirch“ die Marburger Amtsgrenze, lief weiter durch Dilschhausen, an der Buben mühle entlang und nördlich des Stöckelberges nach Rinhausen, von wo er über Wehrshausen hinauf auf die Weinstraße stieg und dann südlich am Dammeisberg vorbei die Marburger Lahnfurt erreichte.

Die „Hessenstraße“ scheint nach kurzer Blüte als Handels- und Durchgangsstraße ziemlich früh ihre Bedeutung wieder verloren zu haben, da sie im Ganzen gesehen durch verhältnismäßig Verkehrs-, stellenweise auch siedlungsarme Landstriche führte. So haben auch die beiden Stadtrechtsverleihungen an Breidenstein und Roth gegen Ende des 14. Jahrhunderts keine bleibende Wirkung ausgeübt. Als Landgraf Philipp der Großmütige 1552 auf der Strecke von Siegen nach Marburg reiste, bevorzugte er vor den längst bestehenden großen Ost-West-Verbindungen über Dillenburg oder Biedenkopf diesen abkürzenden Richtweg, der wahrscheinlich schon damals nur noch von leichtem oder allenfalls sommerlichem Verkehr beansprucht wurde.

Der Landgraf ritt von Köln aus nach Osten über Deutz und Brück hinterm Frankenforst die Köln – Siegener Landstraße aufwärts, bevor er bei Untereschbach die Sülz und bei Overath die Agger überschritt. Dann ging es auf dem frühgeschichtlichen Höhenweg über die bis 305 m Höhe ansteigende Drabender Höhe durch die Asbachfurt bei Denklingen. Von hier aus muß die alte Fernstraße naturbedingt einen großen Bogen nach Norden um die Quellgrün de von Wisserbach und Asdorfbach gemacht haben, und zwar auf einem heute noch fast ganz durchlaufenden Weg: Über Erdingen ging es hinunter in den Weierseifer Grund und zwischen Krottorf und Wildenburg an den Oberlauf der Wisser. Bei Hohenhain erreichte der Landgraf die Siegische Amtshege, reiste auf der Landstraße vom Hühnerkamp bis an den Wildenborn, querte den Büscher Grund mit dem Asdorfbach und gelangte bis nordwestlich oberhalb von Bühl. Dann wendete sich der Weg südwärts über Lindenberg in das Tal der Alchenbach, durch welches die Siegerlandstraße über Seelbach zum Siegener Talübergang führte. Am nächsten Reisetag bewältigte Philipp seinen Weg auf der Amtsverbindung von Siegen nach Marburg.

Autor               Otto Immel

Quellen            Originaltext aus Mitteilungen aus Geschichte und Heimatkunde des Kreises Biedenkopf, Vereinsblatt des „Geschichtsvereins für den Kreis Biedenkopf“  55. Jahrgang, 2. Juli 1979 (Seite 29), Nr. 2
Arnoldi, Johannes: Geschichte der Oranien-Nassauischen Länder und ihrer Regenten Band l -3, Hadamar 1799 -1816
Böttger, Hermann: Die Verkehrswege des Siegerlandes bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. In: Siegerland, Blätter des Vereins für Heimatkunde und Heimatschutz im Siegerlande, Band 16 und 17, Siegen 1934 und 1935 Demandt, Karl E.: Geschichte des Landes Hessen. Kassel 1959 Görich, Willi: Frühmittelalterliche Straßen und Burgen in Oberhessen. Diss. Marburg 1936/1948 Görich, Willi: Biedenkopf und der Fernverkehr in alter Zeit. In: Hessenland, Zeitschrift für Landes- und Volkskunde Hessens, 47. Jahrgang, Seite 132 -138, Marburg 1936 Görich, Willi: Die Fernwege. In: Bald, Ludwig: Das Fürstentum Nassau-Siegen, Seite 5 -26, Marburg 1939 Görich, Willi: Landgraf Philipps Heimritt im September 1552. In: Aus der Vergangenheit unserer Heimat, Geschichtsbeilage der Oberhessischen Presse, Nr. 105 und 106, Marburg 1952 Lennarz, Ulrich: Die Territorialgeschichte des Hessischen Hinterlandes. Diss. Marburg 1957

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