Im Blickwinkel seiner Geschichte 1963

Der Festort im Blickwinkel seiner Geschichte

A. Schwarz, Festschrift 80 Jahre MGV 1963

In der Geschichte begegnet uns Simmersbach meines Wissens erstmalig in einer
Urkunde aus dem Jahre 1323. Der Knappe Heydenreich von Dernbach entläßt die
Gertrud, genannt Suse, von Simmersbach mit ihren Kindern und ihrem Manne
Gerlach aus der Hörigkeit, so daB sie sich dem Grafen Heinrich von Nassau oder irgend
einem anderen dienstbar machen kann. In einer weiteren Urkunde vom 16. Juni
1339 gibt Heinrich von Nassau den Brüdern Widerhold und Arnold von Hohenfels
u. a. den Zehnten von Simmersbach zu Lehen. In einem Verzeichnis von Gerichtsleuten
und Hörigen des Grafen von Nassau-Dillenburg vom Mai 1364 werden
auch Simmersbacher (Schreibweise damals: Symmersbach) aufgeführt, „die zo
Waldenfels hoeren“. Simmersbach war damals ein geteiltes Dorf, geteilt zwischen
Breidenbach, Hessen, und Wallenfels (Tringenstein), Nassau. Die Grenze zwischen
beiden Gerichten bzw. Ländern, verlief …. fortan auf den Bergk genant der
Stauffen Beuel, darauf die drei Steinhaufen liegen, von dem Stauffen Beuel strack
den bergk herab nach dem Dorfe Simmersbach zu durch Ludwig Hen Arnolds Haus
in den Born, der im Dorfe stehet, forther von dem Born den Bergk hinuff uf den
Kirnbach nach den (?) bis auf den Rotlaub uf Zenglers Kreuz . .“. Es hatten ursprünglich
die Herren von Dernbach und Bicken (nach 1803 wird der Bickische
Mühlenzins abgeführt!) diesseits der Grenze Rechte und Besitzungen, die sie nach
harten Auseinandersetzungen an die Grafen von Nassau-Dillenburg abtreten
mußten. Die Teilung des Dorfes fand um 1530 ein Ende, als die von Breidenbach
im Schutze Hessens den nassauischen Dorfteil an sich zogen. Im Mittelalter haben
oft recht seltsame Grenzziehungen stattgefunden; immerhin,bestand im Falle Simmersbachs
eine naturgegebene Begründung. Der Ort tendiert in vielen Erscheinungen
mehr ins ehemalig Nassauische als Hessische. Abgesehen von den Dorfleuten selbst,
die zweifellos in vielem ihre chattisch-hessische Art und Herkunft
erkennen lassen, müssen das Dorf und seine Umgebung nicht dem Breidenbacher
Grund, sondern dem Dietzhölze-Dillgebiet zugerechnet werden. Das Dorf, eine
Talkopfsiedlung, Iiegt am Bach gleichen Namens, der zur Dietzhölze-Dill flieBt.
Am Zug Staffelböl-Stiete-Hornberg endigt die „Simmersbacher Senke“, ein Teil
der Dillmulde, die sich in südwestlicher Richtung gradlinig bis nach Haiger zieht.
Auch verkehrsmäßig (Bahn, Post, Bundesstraße) war und ist Simmersbach engstens
mit dem Dietzhölze-Dillgebiet verbunden. Dieses Gebiet ist auch sein bedeutendster
Brotgeber. Männer und Frauen des Ortes finden in der Eisen- und Holzindustrie
in gut erreichbarer Entfernung lohnende Beschäftigung (Eibelshäuser Hütte,
Sägewerk Holighaus, Eiershausen [mit 28 Arbeitskräften aus Simmersbach],
Stuhlfabrik Krenzer, Frohnhausen). 1959 pendelten 167 von 193 Arbeitern in den
Dillkreis, 1953 nur 5 (5) in den Kreis Biedenkopf! Die ortsansässige Industrie ist
gering (Matratzen- und Stuhlfabrikation, Schiefergrube „Wolfsschlucht“, die eine
wechselhafte Vergangenheit hat und heute im Familienbetrieb Sockelsteine herstellt).
Der durchweg hangige und karge Boden der Gemarkung (722 ha, davon
161 ha Ackerland, 167 ha Wiesen und Weide, 200 ha Wald) gibt bei harter Arbeit
in kleinbäuerlichen Betrieben – die Arbeit ruht größtenteils auf den Schultern der
Frauen! – nicht mehr als das Jahresbrot („Wo Hessen und Holländer verderben,
kann niemand Nahrung erwerben!“). Voraussetzung von Existenz und Vorwärtskommen
war von jeher für die Simmersbacher em zäher Fleiß. Liebe und Treue
zur Heimat werden nicht angeboren, sondern im Umgang mit ihr erworben. Fast
scheint es so, daß die Scholle um so mehr bindet, je mehr der Mensch mit ihr um
sein Brot ringt. So erklärt es sich wohl, daß die Simmersbacher – wie die Hessen
überhaupt – fest mit ihrem Heimatboden und -dorf verwurzeit sind. Um diesen
Boden, ihren Lebens- und Existenzraun in vergangenen Zeiten, haben sie bisweilen
hart kämpfen rüssen. Besonders heftig war der Grenzstreit mit Oberhörlen. Der
wiederholt auffiackernde Streit mit Eiershausen bewegte sich mehr auf der höheren
Ebene Hessen gegen Nassau. Von diesen Vorgängen berichten nur vergilbte Papiere;
schon lange Zeiten hindurch leben die friedliebenden Simmersbacher in gut
nachbarlichen Beziehungen zu diesen Dörfern.
Simmersbach (380 m üb. NN) zählte 1935=735, 1950=962 Einwohner. Das Dorf
wirkt auf den Besucher sauber, seine Häuser verraten hohen handwerklichen Sinn
(Fachwerk, Kratzputz, Inschriften). Leider ist manches Schöne der Modernisierung
zum Opfer gefallen. Von allen Sitten und Gebräuchen ist nicht allzuviel übriggeblieben.
Die letzten Trachtenstücke ruhen als Erinnerungswerte in Schränkern und
Truhen. Bei besonderen Gelegenheiten, etwa bei einer Feier zur Erinnerung an die
Heimkehr des Landgrafen Philipp am Hang des Staffelböl (Philippsbuche) werden
sie noch einmai zur Schau gestellt.
Die Kirche Simmersbachs wurde im vergangenen Jahr im inneren renoviert. Es
lohnt sich, die erneuerten Malereien der dreiseitigen Empore zu betrachten, dabei
auch einen Blick auf die barocke Truhe zu werfen. Vordem stand in dem Gotteshaus
außerdern ein gotischer Taufstein. Wann sich Simmersbach von Breidenbach
löste und selbst Pfarr- und Kirchort wurde, ist nicht festgestelit. (Die Kirche in Breidenbach
wird bereits 913 erwähnt. Breidenbach war eine karolingische Mark ähnlich
Herborn und Haiger. Sie gehörte zum Perfgau, einern Unterau des Oberlahngaues.)
Das ällteste Kirchenbuch Simmersbachs geht in das Jahr 1627 zurück, Ein
älteres soll im großen Krieg verlorengegangen sein. Die Reformation wurde in
Hessen unter Landgraf Philipp (1518/67) durchgefUhrt. Das geschah nach der
„Homberger Synode“ (1526). Philipp selbst trat 1524 zur Lehre Luthers über.
Simmersbach ist ein schulfreundliches Dorf. Was es in jüngster Zeit für den
Umbau des alten Schulgebäudes und für den Neubau einer Lehrerwohnung aufwandte,
ist beachtlich und vorbildlich. Auch das Schulwesen im Hessenland geht
auf den Landgrafen Philipp zurück. Sein Wunsch war, daß die Hessen mehr der
Wissenschaft als der Waffen gewohnt wurden. Sie sollten sich des Wortes Gottes
und der Wissenschaften bedienen, um nicht nur zu streiten und zu siegen,sondern
auch klüger und glücklicher zu leben. Wann Simmersbach seine erste Schule einrichtete,
bleibt noch festzustellen.
Es würde den Rahmen dieser Darstellung überschreiten, wenn auf alle Schönheiten
und Besonderheiten des Ortes und seiner Umgebung hingewiesen werden
sollte. Es konnte auch nur flüchtig im Buche der Geschichte geblättert werden.
Über seine WinkeI, Gassen und Häuser fielen – wie anderswo – in buntem
Wechsel die „schwarzen und die heitern Lose“. Jahren reichen Segens und zufriedener
Beschaulichkeit folgten andere bitteren Hungers und ernster Besinnung. Pest
und andere Seuchen forderten ihre Opfer. Krieg und andere Schrecken trafen das
friediche Dorf und seine Menschen schwer. Vieles ruht im Meer der Vergessenheit.
Vieles kann und darf nicht vergessen werden. Die Zeit geht unbeirrt weiter. Können
wir uns, kann sich Simmersbach ihrer Strömung entziehen? Die Zukunft bleibt
immer ungewiß. Möge sie den Simmersbachern Heimatrecht, Freiheit und Frieden
erhalten.
Dem Ort und seinen Gästen sei zum Festtag viel Sonne und ein reiches Maß
ungetrübter Freude beschert!

Simmersbach 1963

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